26.08.2023 in Lübeck
Support 3 Miles to Essex
Endlich ein Konzertereignis in Lübeck mit zumindest, was die Rockszene angeht, ausge-sprochen namhaften Interpreten. Fury in the Slaughterhouse, seit 1988 populär und nach der Reunion 2013 extrem erfolgreich, jetzt in Lübeck, der Geburtsstadt des Fury-Mitglieds Christof Stein-Schneider. Für die stiefmütterlich behandelte Rock-Fangemeinde in der Hansestadt ein Highlight, wie sich dann herausstellen sollte, von in der Tat ungeahnter Qualität und Großartigkeit. Dazu zählt auch das Vorprogramm, das von 3 Miles to Essex gestaltet wurde, allerdings gab es die Sparversion, da 50% des Duos wegen anderer Verpflichtungen abgesagt hatte und stattdessen eine Art Playback den musikalischen Anteil des Vermissten übernimmt. Die Songs machen Appetit auf mehr, die Stimme ist großartig. Überwiegend höflicher, aber direkt vor der Bühne auch begeisterter Applaus zeigt, dass hier Potential für mehr sichtbar und hörbar geworden ist.
Um 19.40 Uhr treten dann die Stars des Abends an. Die ersten Songs rockig und schnell, das Publikum angetan, aber noch verhalten. Erste Jubelstürme und Mitgesänge beim fünften Song „Radio Orchid“, dem großen Song aus dem Repertoire der Band. Vielleicht zu früh! In schneller Folge dann Highlight auf Highlight. Die über 5000 Zuschauer in der ausverkauften Gollan-Werft erweisen sich zunehmend als gesangsbereite und textsichere Back-ground-band. Die Musik lebt von der Melodik, den perfekt voller Freude gespielten Instrumenten, von denen die Sologitarre unaufgeregt, unaufdringlich und fast unauffällig die dennoch tragende Rolle neben dem Gesang übernimmt.
Mehrere Performer für beides machen alles sehr abwechslungsreich und sorgen für zusätzliche Faszination. Das Publikum ist voller Vorfreude auf den jeweils nächsten Song. „Every Generation Got Its Own Disease“ wird begeistert gefeiert , „Haunted Head and Heart“ überzeugt durch die Musikalität des Songs, an „Dancing in the Sunshine of the Dark“, einer wirklich fantastischen Mischung aus Rock, Pop, Funk, Soul und Gothic kann man sich nicht satthören, einziger Nachteil des Songs ist, dass er nach fünf Minuten zu Ende ist, dann das vermeintlich etwas einfältige „Trapped Today, Trapped Tomorrow“, die Zuschauer honorieren es mit tosendem Applaus, wie auch bei „Kick It Out“.
Vor der Zugabe der Höhepunkt „Time to Wonder“, der Song, den auch meine 16jährige Tochter und ihre Klassenkameradinnen von irgendwoher kennen. Das Publikum wird gekonnt miteinbezogen und als es vorbei ist, gleicht die Werft einem Tollhaus, man weiß nicht, wer erschöpfter ist, das Auditorium oder die Band. Die zweite Zugabe ist dann, was fehlte denn noch? Ach ja, „Won’t Forget these Days“, ein Wingenfelder ist auch immer ein Entertainer, das Publikum macht nur zu gern, was eingefordert wird. Nach sechs Zugaben ist nach 125 Konzertminuten Schluss. Dankbare Zuschauer machen sich zufrieden auf den Heimweg.
Großartig übrigens die Aktion, dass die Band an jedem Auftrittsort einer sozialen eher kleineren Organisation die Möglichkeit gibt, die Pfandgefäße einzusammeln und zu Geld zu machen und dies auch persönlich vor dem Konzert, auf die Personen und Sammelbehälter hinweisend, ankündigt. In diesem Fall ging dieser Erlös an die „Zuckerschnuten“ in Plön, die sich um die Alltagsgestaltungsmöglichkeiten von Kindern mit Diabetes kümmern. Fazit: Ein rundum gelungenes Konzertereignis in Lübeck an einem phantastischen Spielort, von dem es hoffentlich auch an dieser Stätte viele weitere Konzerte geben wird. Für mich gab es auch eine Überraschung: In meinem bisherigen Leben kannte ich die Band zwar und „Radio Orchid“ fand ich schon immer gut, aber ich war kein Fan. Das hat sich nun geändert!